Mit vermutlich keinem andern Thema kann man Piloten und Lotsen so auf den Geist gehen wie mit Luftraumkunde. In der Ausbildung müssen beide die Struktur, die einzelnen Klassen und die jeweiligen Regeln auswendig lernen. Auch bei IVAO ist das nicht anders, bei jeder Prüfung spielen Lufträume eine gewaltige Rolle, sei es weil der Prüfling sie als Lotse unter seiner Kontrolle hat oder als Pilot durch sie hindurch fliegt.
Die einzelnen Lufträume auswendig zu lernen, ist sicherlich ein Weg, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Meistens kann man damit auch noch die Fragen des Prüfers nach Sichtflugmindestbedingungen und Staffelungspflichten beantworten. Allerdings ist das nicht so richtig lustig. Wer verstanden hat, warum es unterschiedliche Lufträume gibt und weshalb die Klassen so sind, wie sie sind, hat es viel leichter, sich die einzelnen Klassen und die Unterschiede und Regeln zu merken.
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Die Grundlage ist eigentlich ziemlich banal und einfach: alles was über der Erdoberfläche liegt, ist ein Luftraum – einfach weil da Luft ist und theoretisch ein Flugzeug dort fliegen kann. Das hilft allerdings nicht so richtig weiter, weil je nach Lage des Luftraums unterschiedliche Flüge und unterschiedlich viele Flüge unterwegs sind. Deshalb existiert ein System, das den Luftraum je nach Lage in unterschiedliche Klassen aufteilt, in denen bestimmte Regeln gelten.
Bevor diese Unterteilung genauer erklärt wird, kommen hier zwei Definitionen, ohne die das folgende ziemlich unverständlich wird:
Fluglotsen bieten grundsätzlich zwei Dienste an: Flugverkehrskontrolle und Flugverkehrsinformation. Die beiden klingen ähnlich, unterscheiden sich jedoch in einem ganz wichtigen Punkt: Der Lotse in der Flugverkehrskontrolle gibt Anweisungen, die für den Piloten verpflichtend einzuhalten sind. Eine Landefreigabe zum Beispiel ist eine Anweisung, ohne die ein Pilot (unter den meisten Umständen) nicht landen darf. Der Lotse in der Flugverkehrsinformation hingegen gibt keine Anweisungen, sondern nur Hinweise und Informationen zum Beispiel über Verkehr in der Umgebung, meteorologische Bedingungen oder aktive Landebahnen. Freigaben gibt er nie, das heißt der Pilot ist letztendlich für seine Staffelung und seine Sicherheit selber verantwortlich.
Die zweite wichtige Grundlage sind die Flugregeln. Flüge können entweder nach Sichtflugregeln oder nach Instrumentenflugregeln bewegt werden. Je nach Wetter und Art des Fluges wird der Pilot entweder unter der einen oder der anderen Regel fliegen. Und je nach Luftraumklasse ist es dem Piloten nur unter einer der beiden Regeln erlaubt, in diesem Luftraum zu fliegen.
Nun kommt der erste wichtige Unterschied der Luftraumklassen, übrigens eine beliebte Frage in ADC-Theorieprüfungen: der unkontrollierte und der kontrollierte Luftraum. Meist hört man als Prüfer Antworten wie zum Beispiel „in unkontrollierte Lufträume dürfen IFR-Flieger nicht rein“ oder „ein Luftraum ist unkontrolliert, wenn sich ein VFR-Flieger nicht beim Lotsen melden muss“. Beide Aussagen stimmen leider nicht hundertprozentig. Die richtige Antwort ist dabei eigentlich relativ einfach:
Ein Luftraum ist immer dann kontrolliert, wenn in diesem Luftraum Flugverkehrskontrolldienst (Air traffic control service - ATC service) angeboten wird.
Das heißt praktisch nichts anderes als: gibt der Lotse dem Flieger eine Freigabe, dann befindet sich das Flugzeug in einem kontrollierten Luftraum. IFR in unkontrollierten Lufträumen ist dabei keineswegs verboten, sofern sich der Pilot an veröffentlichte Routen hält. In Luftraum G werden Verkehrsinformationen sowie Windrichtung und -stärke erteilt, aber keine Landefreigaben erteilt. Aber IFR ist an diesen Plätzen natürlich trotzdem erlaubt, und wird auch genutzt, um Passagiere zu fliegen.
Die Regeln für VFR-Verkehr haben übrigens nichts damit zu tun, ob der Luftraum kontrolliert oder unkontrolliert ist. Der E-Luftraum ist kontrolliert, aber ein VFR-Pilot wird ganz selten Kontakt mit einem „echten“ Fluglotsen haben, vermutlich eher mit einem Fluginformationslotsen. Und trotzdem finden viele VFR-Flüge im LR E statt, immerhin ist dieser Luftraum besonders dort, wo sich VFR-Flieger im Streckenflug sehr gerne aufhalten: oberhalb von 2500 Fuß über Grund und außerhalb von Lufträumen der Klassen C und D.
Mit dieser Einleitung sind auch schon zwei wichtige Punkte angesprochen, die eigentlich die beiden Hauptgründe für die Luftraumstruktur ist: es gibt zwei Arten von Flugregeln und es gibt nicht überall gleichviel Flugzeuge.
In Deutschland gibt es zwar nur einen von den drei Lufträumen, aber man sollte trotzdem etwas von allen gehört haben: Lufträume der Klasse A, B und C. Sie sind die Spielwiese der Instrumentenflieger, hier sind sie fast unter sich. Im A-Luftraum sind gar keine Flüge nach VFR erlaubt, im B zwar schon, aber sie werden wie ganz normale IFR-Flieger gestaffelt und behandelt. Jeder IFR-Pilot kann sich also sicher sein, dass ihm in den Lufträumen A und B nicht per Zufall ein anderes Flugzeug vor die Nase fliegt.
Der C-Luftraum dient in Deutschland über FL100 (FL130 im alpinen Bereich) dem Schutz von Enroute-IFR. Hier dürfen auch VFR-Piloten fliegen, allerdings nur mit Freigabe und nur mit Staffelung zu IFR. Damit sind die "Großen" gut genug geschützt.
Alle Verkehrsflughäfen haben eine Kontrollzone: Dieser D-Luftraum kennzeichnet zum einen den Verantwortungsbereich des Turmlotsen, und stellt außerdem sicher, dass ALLE Flugzeuge in diesem Bereich in einer Sprechfunkverbindung mit dem Lotsen stehen. Außerdem hat dieser Lotse die Pflicht und auch das Recht, verpflichtende Anweisungen an die Piloten zu erteilen. Damit kann er aus seiner Position einen sicheren Verkehrsfluss schaffen. Gerade wenn Flugzeuge niedrig und langsam sind, also nach dem Start und vor der Landung, ist diese Sicherung extrem wichtig. Es gilt: hörbereit sein auf der Frequenz, Zweiwegekommunikation herstellen und für die VFR-Flieger besonders wichtig: Hier brauche ich eine Einflugfreigabe! Ist der Luftraum zu voll, kann der Lotse den Einflug verweigern.
Über der Kontrollzone ist dann häufig ein Luftraum C oder D aufgesetzt. Der Grund dafür ist eigentlich wieder recht einfach: dort fliegen häufig große Verkehrsflugzeuge herum, die entweder im Anfangssteigflug sind oder sich für die Landung vorbereiten. Dabei fliegen sie in den niedrigen Flughöhen herum, in denen sich üblicherweise auch VFR-Verkehr aufhält. Um diese Flugbewegungen voneinander staffeln oder über sie informieren zu können, benötigt der Lotse wieder Sprechfunkverkehr mit allen Fliegern, die sich darin aufhalten. Daher gilt wieder für alle Flugzeuge: Zweiwegekommunikation aufrechterhalten! Und wie in der Kontrollzone gilt: Hier brauche ich eine Freigabe, ohne die Zustimmung des Lotsen geht hier nichts.
Die Lufträume C und D haben (in Deutschland) die strengsten Regeln, was das Verhalten von Piloten angeht. Für den C-Luftraum mussten VFR-Piloten früher sogar eine besondere Berechtigung haben. Heutzutage ist in der Privatpilotenlizenz allerdings diese Berechtigung schon enthalten.
Natürlich ist nicht überall soviel Verkehr wie um große Verkehrsflughäfen herum. Dort sind Luftraumklassen eingerichtet, in denen weniger strenge Regeln gelten. Zum Beispiel der Feld-, Wald- und Wiesenluftraum E, der eigentlich überall da ist, wo sonst kein anderer Luftraum ist. Hier muss ein VFR-Flieger keine Hörbereitschaft auf der Frequenz des Lotsen haben (zumindest tagsüber), und er kann nach Sicht fliegen, wie er es gelernt hat. Allerdings muss er ständig damit rechnen, dass ihm ein Instrumentenflieger über den Weg fliegt, immerhin ist der E-Luftraum ein kontrollierter Luftraum! Deshalb ist es besonders in der Nähe von Flughäfen nicht unwahrscheinlich, dass ein kleiner Geschäftsreiseflieger oder auch ein ganz normaler Linienflieger vorbeikommt.
Etwas anders ist das im Luftraum G. Der ist die Spielwiese der Sichtflieger, allerdings gibt es auch dort IFR-Verkehr auf veröffentlichten Verfahren. Außerdem sind hier die Wettermindestbedingungen für VFR wesentlich geringer als in jedem anderen Luftraum, auch bei schlechter Sicht und bei niedrig hängenden Wolken kann hier noch geflogen werden. Flugverkehrskontrolle gibt es aber auch keine, wenn man will, allerdings noch den Dienst der Fluginformationslotsen.
Zu guter Letzt die Klasse F. Sie ist in Deutschland derzeit nicht eingerichtet. Der F ist ein unkontrollierter Luftraum - für IFR und VFR. Bis Anfang Dezember 2014 gab es diesen Luftraum in Deutschland zwar über kleineren Regionalflughäfen (z.B. Bautzen oder Bayreuth), er wurde aber abgeschafft.
Damit wären alle Grundlagen für die Luftraumkunde erklärt: es geht eigentlich immer darum, wie viele Flieger sich nach welchen Regeln in einem Stück Luft bewegen. Daraus entsteht die Notwendigkeit, dass ein Lotse darauf aufpasst und entweder Informationen oder Anweisungen erteilt, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dabei ist der Luftraum je nach Klasse unterschiedlich streng zu den Piloten, also wie schnell sie und nach welchen Regeln sie fliegen.
Lufträume der Zukunft? Bei einem System, das schon vierzig Jahre super funktioniert, vermutlich etwas komisch. Aber es gibt durchaus Pläne, das Luftraumsystem neu zugestalten. Zum Beispiel ist der Unterschied zwischen C und D schwer zu verstehen, wenn man nicht den Hintergrund kennt, dass man früher für den C noch eine besondere (und teure) Lizenz brauchte, für den D aber nicht. Im Grunde dienen nämlich beide Klassen dem gleichen Ziel: an- und abfliegenden IFR-Verkehr Schutz vor unbekanntem VFR-Verkehr zu bieten.
Die europäische Flugsicherungsagentur EUROCONTROL hat die Vorstellung, aus sechs Lufträumen in Europa nur noch drei zu machen: Der Klasse U, einem IFR-only-Luftraum, der Klasse N, ähnlich dem C-Luftraum und die Klasse K, der in etwa dem E-Luftraum entspricht. Damit wäre die lästige Frage "wo bin ich gerade und was gelten jetzt für Regeln?" deutlich einfacher zu beantworten.