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Direkt als Disclaimer: Unabhängig von den im folgenden genannten Staffelungsarten sind weiterhin Radarstaffelung und Wirbelschleppenstaffelung wie bisher anzuwenden, sobald zwei Flieger in der Luft sind.
Eine Unterschreitung der Pistenstaffelung ist in einer Prüfung ein Auto-Fail, es sei denn, die reduzierte Pistenstaffelung wurde korrekt angewandt. Solltet ihr feststellen, dass bei einem Anflug weder die Standard- noch die herabgesetzte Pistenstaffelung erreicht werden kann, muss dem Anflug ein Durchstartmanöver angewiesen werden.
Als grobe Faustformel gilt: Pro Piste darf nur eine Freigabe erteilt werden (Ausnahmen siehe weiter unten). Dies bedeutet konkret:
Startende Flugzeuge dürfen ihren Startlauf erst beginnen, wenn:
Landende Flugzeuge dürfen die Schwelle erst überfliegen, wenn:
„Frei von der Piste“ bedeutet auf IVAO: Das LFZ ist frei von der lateralen Begrenzung der Piste (bzw. CAT III-Rollhalt bei Low visibility operations).
Anmerkung: Aufgrund von unterschiedlichen Szenerien und möglichen Software-Ungenauigkeiten gilt die Piste im Gegensatz zur Realität also nicht erst dann als frei, wenn der CAT I-Rollhalt komplett überrollt wurde, sondern bereits, wenn das LFZ frei von der lateralen Begrenzung der Piste ist.
Wie kann die Pistenstaffelung schneller erreicht werden, wenn vorne ein VFR-Flieger gestartet ist? Indem man den VFR-Flieger darum bittet (nicht zwingt!), früh abzudrehen
Auch das Kreuzen von Pisten oder Line-up auf einer Piste ist nicht erlaubt, wenn für die entsprechende Piste schon eine Start- oder Landefreigabe gegeben wurde.
Ausnahme: Der startende Flieger ist bereits losgerollt, dann darf die Piste dahinter zum Line-up oder Kreuzen genutzt werden.
Außerdem kann ein Lotse unter Umständen „multiple line-ups“ anweisen, also mehrere abfliegende LFZ aus verschiedenen Rollbahneinmündungen gleichzeitig auf die Piste stellen. Dazu müssen die Intersections einen Abstand von mindestens 500 Metern haben (siehe TORA-Distanzen laut AIP) und dem hinteren LFZ muss explizit „Number two for departure“ gesagt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Die oben erklärte Standard-Pistenstaffelung darf unter bestimmten Umständen reduziert werden. In diesem Fall spricht man von “herabgesetzter Pistenstaffelung”.
Zunächst ein paar allgemeine Worte: Das höchste Gut in der Luftfahrt ist die Sicherheit. Um diese zu gewährleisten, werden viele Bereiche redundant gestaltet. Das bedeutet, man erstellt zusätzliche Elemente, welche nicht unmittelbar notwendig sind, aber als Backup zum Erhalt der Sicherheit dienen.
So ist es unter anderem bei der Staffelung: Die herabgesetzte Pistenstaffelung wurde vor einigen Jahren von der ICAO als Redundanz eingeführt für den Fall, dass die normale Pistenstaffelung nicht erfüllt werden kann. Sie sollte jedoch keineswegs als der “Standard” angesehen werden, sondern nur als Backup, wenn es doch mal etwas enger als geplant werden sollte - damit es nicht zu einer Staffelungsunterschreitung kommt. Wer ständig bewusst auf die herabgesetzte Pistenstaffelung zielt, arbeitet vielleicht auf dem ersten Blick etwas effizienter, allerdings geht das langfristig auf Kosten der Redundanz und somit der Sicherheit. Dies sollte unbedingt vermieden werden.
Also: Plant als Tower-Lotse grundsätzlich mit der normalen Staffelung und seht die herabgesetzte Pistenstaffelung eher als Backup an, falls ihr euch bei einer Lücke verschätzt habt oder z.B. ein VFR-Pilot nicht ganz so eingedreht ist, wie ihr euch das gedacht habt.
Herabgesetzte Pistenstaffelung darf nur angewandt werden, wenn folgende meteorologische Voraussetzungen erfüllt sind:
Des Weiteren muss dem nachfolgendem LFZ eine Verkehrsinformation erteilt werden. Dies ist in Prüfungen extrem wichtig, um nachzuweisen, dass ihr die herabgesetzte Pistenstaffelung auch bewusst angewandt habt.
Herabgesetzte Pistenstaffelung darf nicht zwischen einem startenden und einem vorherigen gelandeten LFZ angewandt werden.
Ein Touch-And-Go gilt als startendes LFZ, sobald er wieder abhebt. Ein Low-Approach gilt as startendes LFZ, sobald er die Pistenschwelle überfliegt
Zu guter Letzt kann herabgesetzte Pistenstaffelung nur auf dafür zugelassenen Pisten angewandt werden. Auf IVAO sind dies alle Pisten, bei denen die 600/1500/2400-Meter-Markierungen vorhanden sind.
Sobald zwei staffelungspflichtige Flieger in der Luft sind, muss selbstverständlich die Radar- bzw. Wirbelschleppenstaffelung angewandt werden. Wenn diese aufgrund eines Fehlanflugs nicht gegeben ist, muss der Tower-Lotse schnellstmöglich eine Verkehrsinformation erteilen und ggf. mittels Radarverktoren die Staffelung wiederherstellen (Koordination mit APP nicht vergessen).
Bei der Anwendung von herabgesetzter Pistenstaffelung muss man zwischen drei verschiedenen Flugzeugkategorien unterscheiden:
Sofern in der nachfolgenden Aufzählung ein Fall nicht berücksichtigt ist, darf keine reduzierte Pistenstaffelung angewandt werden.
Hier ein paar kleine Merkhilfen, die man aus diesen Regeln schließen kann:
Woher weiß ich als Lotse bei der Anwendung der herabgesetzten Pistenstaffelung für anfliegende Luftfahrzeuge, ob das vordere LFZ schon mindestens 600 / 1500 / 2400 Meter von der Pistenschwelle entfernt ist?
Dazu gibt es im IvAc/Aurora-Sectorfile für Deutschland für jede Piste an jedem internationalen Verkehrsflughafen sowie einigen Regionalflughäfen Distanzmarkierungen. Diese sind jeweils auf der rechten Seite der jeweiligen Pistenrichtung zu sehen und geben die Distanz ab der (versetzten) Pistenschwelle an. Aktiviert / Deaktiviert werden können die Markierungen über den AP-Button.
Für manche Pisten sind nicht alle drei Distanzen eingezeichnet. Dies liegt daran, dass die verbleibende Piste ab der (ggf. versetzten) Pistenschwelle dann kürzer ist als die entsprechende Distanz (600 / 1500 / 2400 Meter) und dadurch mit der Standard-Pistenstaffelung gearbeitet werden muss.
Hier die Markierungen am Beispiel EDDV
Bei abfliegenden Luftfahrzeugen ist es leider nicht immer ganz so einfach, da hier die Distanz zwischen den beiden LFZ entscheidend ist. Wenn das hintere LFZ von der Pistenschwelle startet, können die Distanzmarkierungen als Orientierung genommen werden. Startet es aber signifikant hinter oder vor der Pistenschwelle, muss mit dem QDM Tool vom IvAc / Aurora die Distanz zwischen den Fliegern gemessen werden. Dieses Tool gibt die Distanz in NM an.
Hierbei gilt:
Wie ihr den Voraussetzungen schon entnehmen konntet, muss beim Anwenden von herabgesetzter Pistenstaffelung dem hinteren LFZ eine Verkehrsinformation gegeben werden. Dies kann sich je nach Konstellation etwa folgendermaßen anhören (es handelt sich nur um Beispiele, der Wortlaut muss nicht eins zu eins genauso sein, es sollte lediglich für den Piloten verständlich sein):
Zwei Abflüge hintereinander:
Landung hinter einem gestarteten Abflug
Landung, wenn noch die vorherige Landung auf der Piste ist
Eine Landefreigabe kann unter Umständen bereits gegeben werden, auch wenn die Piste aufgrund einer vorherigen Landung oder eines Abflugs noch nicht frei ist. Wichtig ist, dass man als Lotse “reasonable assurance”, also auf Deutsch “ausreichende Gewissheit” darüber hat, dass die Piste frei sein wird, wenn der Anflug die Pistenschwelle überfliegt.
Mit diesen Verfahren kann insbesondere während “High-Traffic-Situationen” die Frequenzbelastung reduziert werden. Außerdem muss bei einer ausreichend großen Lücke nicht “krampfhaft” mit der Landefreigabe gewartet werden, bis die Piste auch wirklich komplett frei ist.
Beachtet, dass es sich hierbei um eine Kann-Bestimmung handelt. In der Praxis bietet sich die Anwendung eher bei viel Verkehr an, um Funksprüche besser timen zu können. Bei wenig Verkehr / einer geringen Frequenzbelastung sollte nach wie vor die Landefreigabe erst gegeben werden, wenn die entsprechende Pistenstaffelung tatsächlich hergestellt ist.
Aber wann kann man von “reasonable assurance” reden? Also wann kann man die Landefreigabe theoretisch bereits geben?
Wenn die Piste aufgrund einer vorherigen Landung noch blockiert ist, kann man von “reasonable assurance” reden, wenn die vordere Landung bereits dabei kurz davor ist, die Piste zu verlassen, auch wenn sie noch nicht komplett frei von der Piste ist. Dies erkennt man daran, dass der Speedvector im IvAc / Aurora langsam ist (ca. < 40 Knoten) und ggf. in Richtung eines Abrollwegs zeigt. In diesem Fall kann also einem Anflug die Landefreigabe bereits gegeben werden, wenn sich der Lotse ausreichend sicher ist, dass bis zum Moment des Schwellenüberfluges Pistenstaffelung gegeben sein wird.
Damit sich der Pilot nicht wundert, wenn er auf der Piste vor sich noch einen Flieger sieht, gehört bei der Anwendung dieses Verfahrens eine Verkehrsinformation dazu. Diese kann beispielsweise so aussehen:
Wenn die Pistenstaffelung aufgrund eines vorherigen Starts noch nicht gegeben ist, kann man von “reasonable assurance” reden, wenn der Abflug zumindest abgehoben ist. Dies ist im IvAc / Aurora an der positiven Steigrate zu erkennen. In diesem Fall kann also einem Anflug die Landefreigabe bereits gegeben werden, wenn sich der Lotse ausreichend sicher ist, dass die entsprechende Pistenstaffelung bis zum Moment des Schwellenüberfluges gegeben sein wird.
Damit sich der Pilot nicht wundert, wenn er auf der Piste vor sich noch einen Flieger sieht, gehört bei der Anwendung dieses Verfahrens eine Verkehrsinformation dazu. Diese kann beispielsweise so aussehen:
Reasonable assurance sollte nicht bei besonders engen Lücken angewandt werden. In so einem Fall sollte lieber mit einer Freigabe gewartet werden, bis die Piste tatsächlich frei ist. Außerdem muss der Verkehr bei der Anwendung von Reasonable assurance sehr genau im Auge behalten werden, damit bei unerwarteten Ereignissen (z.B. vorderes LFZ bleibt doch noch auf der Piste stehen) schnell und adäquat reagiert werden kann.