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Navigation ist in der Luftfahrt essentiell. In der Vergangenheit haben sich diverse Arten der Navigation entwickelt. Die wohl einfachste Art ist die Sichtnavigation. Der Pilot schaut also nur aus dem Fenster und weiß anhand von Landschaftsmerkmalen wie Flüssen, Gebirgen, Siedlungen usw., wo er sich befindet.
Doch nicht immer ist die Sicht gut genug, um so zu navigieren. Daher wurde die Instrumentennavigation eingeführt. Hierbei wird mithilfe von bodenbasierten Funkanlagen wie dem NDB, VOR, DME oder ILS navigiert.
Mit steigenden Flugbewegungen wurde es am Himmel aber irgendwann zu voll, um nur von Bodenstation zu Bodenstation zu fliegen. Also wurde in den 1970er Jahren ein neues Konzept entwickelt: Man fliegt nun über Wegpunkte, welche einfach nur durch geografische Koordinaten definiert und somit unabhängig von Bodenstationen sind. Da man so beliebig “in der Fläche” fliegen kann, nennt sich diese Art der Navigation Flächennavigation (engl. Area Navigation - RNAV).
Das Grundprinzip der Flächennavigation ist einfach: Das Flugzeug bestimmt zunächst seine eigene Position (dazu gleich mehr). Die Position des anzufliegenden Wegpunkts ist ebenfalls bekannt. In der Regel werden die Wegpunkte mit ihren dazugehörigen Koordinaten nämlich in einer Datenbank im Boardcomputer gespeichert. Alternativ kann ein Pilot auch per Hand beliebige Koordinaten eingeben.
Nun berechnet der Boardcomputer mithilfe von analytischer Geometrie und Vektorrechnung den Kurs und die Distanz zum gewünschten Wegpunkt. Dadurch ist die Navigation zwischen zwei beliebigen Wegpunkten möglich. Mit genügend Wegpunkten kann somit eine komplette Route erstellt werden.
Um zu einem beliebigen Wegpunkt zu navigieren, benötigt das Luftfahrzeug also ständig eine Information über seine eigene Position. Die Bestimmung der Position kann dabei auf verschiedene Arten erfolgen:
Ein Boardcomputer, in modernen Luftfahrzeugen ist dies ein FMC, wird nun mit allen verfügbaren Navigationsdaten gefüttert. Da die einzelnen Systeme unterschiedlich genau sind (GNSS ist z. B. wesentlich genauer als VOR/DME), werden die Daten unterschiedlich gewichtet und mit einem komplexen Algorithmus dann zu einer einzigen Flugzeugposition vereint.
Die ICAO hat die Flächennavigation und deren Leistungsanforderungen standardisiert und in ein Gesamtkonzept integriert: Das Konzept der Performance Based Navigation (PBN), auf deutsch also leistungsbasierte Navigation. Dieses Konzept besteht aus drei Komponenten:
Diese Komponenten können nicht isoliert in einen Luftraum implementiert werden, sondern gehören stets zusammen.
Damit ist das Vorhandensein von Navigationshilfen, welche für die Positionsbestimmung bei der Flächennavigation genutzt werden, gemeint. Sowohl bodenbasierte Navigationshilfen (VORs und DMEs), als auch weltraumgestützte Navigationshilfen (GNSS-Systeme wie GPS), als auch Onboard-Navigationssysteme (INS / IRS) sind Teil der Infrastruktur.
Mithilfe von verschiedenen Navigationsspezifikationen werden die die Leistungsanforderungen für die Flächennavigation mit Hinblick auf folgende vier Faktoren beschrieben:
Außerdem muss in einer bestimmten Navigationsspezifikation definiert sein, welche Navigationssensoren genutzt werden müssen, aber auch, welche Anforderungen für die Piloten und Fluglotsen gelten müssen, um mit dieser Spezifikation arbeiten zu können (bspw. Schulungen / Briefings).
Wie sehen nun diese ominösen Navigationsspezifikationen genau aus? Prinzipiell kann man diese in zwei Hauptgruppen einteilen: RNAV-Spezifikationen (Flächennavigation) und RNP-Spezifikationen (Required Navigation Performance).
Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Gruppen liegt in der Integrität: Während bei RNAV keine Überwachung der aktuellen Zuverlässigkeit und auch keine Alarmierung beim Unterschreiten bestimmter Toleranzgrenzen vorgeschrieben ist, ist dies bei RNP sehr wohl notwendig. Man spricht hier von “On-board Performance Monitoring and Alerting”
In der RNAV-Gruppe gibt es derzeit vier Spezifikationen:
Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Spezifikationen liegt in der Genauigkeit: Die Abweichung zwischen gewünschter und tatsächlicher Position darf bei RNAV-x in 95% der Zeit maximal x Meilen betragen. Bei RNAV-5 darf sich das Luftfahrzeug also bspw. zu 95% der Zeit maximal 5 NM zu weit links oder rechts vom gewünschten Kurs bewegen.
Darüber hinaus sind für jede Flugphase nur bestimmte Spezifikationen zugelassen. Je kritischer die Flugphase, umso höher müssen logischerweise die Anforderungen an die Genauigkeit sein. Details dazu siehe Tabelle im Abschnitt Navigationsanwendungen.
In der RNP-Gruppe gibt es derzeit sieben Spezifikationen:
Bei RNP-4 / 2 / 1 / 0.3 liegt die Genauigkeit analog zu den RNAV-Spezifikationen bei einer Abweichung von maximal 4 / 2 / 1 / 0.3 Meilen in 95% der Zeit.
Bei den anderen RNP-Spezifikationen ist es schon etwas komplizierter: Hier hängt die vorgeschriebene Genauigkeit von der Navigationsanwendung, also der aktuellen Flugphase, ab. Die Tabelle weiter unten beschreibt dies etwas detaillierter.
Darüber hinaus braucht man für die Nutzung von RNP-Anwendungen im Cockpit wie schon erwähnt ein “Onboard Performance Monitoring and Alerting System”. Dieses System hat zwei wesentliche Aufgaben: Ständiges Überwachen, wie genaue die Navigationssysteme aktuell den Sollkurs halten können (Monitoring), und den Piloten zu warnen, sobald bestimmte Toleranzgrenzen überschritten wurden (Alerting). Die aktuelle Leistungsfähigkeit des Systems wird bei RNP-Anwendungen stets im Cockpit als ANP (Actual Navigation Performance) dargestellt. Diese gibt an, mit viel Meilen Positionsgenauigkeit die aktuelle Position basierend auf den zur Verfügung stehenden Navigationsdaten berechnet werden kann.
Dabei darf der sogenannte Total System Error (TSE) nicht überschritten werden. Dieser setzt sich zusammen aus:
Wenn dieser TSE außerhalb der Toleranzgrenzen ist, also die ANP schlechter ist als die RNP (reuqired navigation performance), wird dies im Cockpit dargestellt. Da eine solche Situation sicherheitskritisch sein kann, sollte der Pilot auch den Fluglotsen darüber informieren.
Damit ist die letztendliche Nutzung einer bestimmten Navigationsspezifikation und der damit verbundenen Infrastruktur der Navigationshilfen auf einem bestimmten Streckenabschnitt gemeint. Dies kann zum Beispiel eine SID, eine ATS-Route, eine STAR oder auch ein Instrumentenanflugverfahren sein.
Doch in welchem Flugabschnitt können nun welche Navigationsspezifikationen zur Anwendung kommen? Die folgende Tabelle zeigt dies sowie die Genauigkeit, welche die entsprechende Spezifikation benötigt:
Das PBN-Konzept ist, wie der Name schon sagt, nur ein Konzept. Für die Implementierung des Konzepts in einen existierenden Luftraum sind die einzelnen Staaten verantwortlich. Diese müssen also die jeweilige Infrastruktur bereitstellen und in ihrer AIP die jeweils gültigen Regeln im Umgang mit Flächennavigation beschreiben.
Dazu ein Beispiel: Im Jahr 2014 wurde von der EU beschlossen, im An- und Abflugbereich von großen Verkehrsflughäfen mehr RNP-Verfahren zu etablieren. In Deutschland kommt dafür u.a. der Flughafen Frankfurt in Frage. Nun geht man die drei Komponenten des PBN-Konzepts durch:
Damit die OBOKAx-Whiskey-SID nun auch genutzt werden kann, müssen sowohl Lotsen als auch Piloten zu RNP-1-Verfahren geschult werden. Zu guter Letzt muss natürlich auch das Luftfahrzeug das passende Equipment haben. Dies wird im Flugplan im Feld 18 hinter PBN/ vermerkt. RNP-1-Fähigkeit mittels GNSS würde z.B. durch O1 oder O2 bei der PBN-Spezifikation angegeben werden.
Durch die Flächennavigation können nun also beliebige Wegpunkte erstellt werden. Der Name eines solchen RNAV-Wegpunktes kann aus
Dadurch lässt sich ein RNAV-Wegpunkt leicht von anderen signifikanten Punkten, welche auf Bodenstationen basieren, unterscheiden. Diese Punkte haben nämlich nur zwei- oder dreistellige Namen (z. B. FFM basierend auf FFM VOR oder FR basierend auf FR NDB).
Oftmals trennt ein Wegpunkt zwei Streckenabschnitte, welche nicht den gleichen Kurs haben. Man muss also eine Kurve fliegen. Aber wo genau leitet man die Kurve ein? Über dem Wegpunkt? Oder schon kurz davor? Nützlicherweise werden dazu die Wegpunkte in zwei Gruppen eingeteilt: Fly-Over-Wegpunkte und Fly-By-Wegpunkte
Fly-Over-Wegpunkte sind aus technischer Sicht leicht: Man leitet genau dann die Kurve ein, wenn es den Wegpunkt überfliegt. Dies führt zwangsläufig dazu, dass das Luftfahrzeug erst einmal den gewünschten Kurs überschießt und somit etwas Zeit und Weg braucht, um diesen Kurs wieder abzufangen.
In manchen Situationen sind Fly-Over-Wegpunkte allerdings dennoch sinnvoller als Fly-By-Wegpunkte. So sind bspw. die Fehlanflugpunkte (MAPt) bei RNAV-Anflügen immer als Fly-Over-Wegpunkte definiert.
Bei einem Fly-By-Wegpunkt wird die Kurve schon vor Erreichen des Wegpunktes eingeleitet, sodass das Luftfahrzeug den gewünschten Kurs erreicht, ohne dabei zu Über- oder Unterschießen (tangential interception).
Dafür muss der Navigationscomputer in der Lage sein, aus gegebenen Parametern (Änderung des Kurses, Geschwindigkeit des Luftfahrzeugs, Wind, Begrenzungen des Querneigewinkels) den richtigen Zeitpunkt zum Einleiten der Kurve zu berechnen. Hier spricht man von Turn anticipation.
Die Mehrheit der Wegpunkte im Strecken- sowie An- und Abflugbereich sind als Fly-By-Wegpunkte definiert.
Die Verbindung zwischen zwei RNAV-Wegpunkten wird Leg genannt. In den meisten Fällen ist so ein Leg vereinfacht gesagt eine gerade Linie zwischen den beiden Wegpunkten. Doch dank der hohen Genauigkeit bei RNP-Verfahren kommen nun auch andere Leg-Typen in Frage. Dazu zählen unter anderem das “Radius to Fix Leg” (RF) oder die “Fixed Radius Transition” (FRT).
Wenn in einem An- oder Abflugverfahren eine Kurve geflogen werden muss, geschieht dies klassischerweise durch einen Fly-By oder Fly-Over-Wegpunkt, der zwei Streckenabschnitte miteinander verbindet. Doch das Kurvenverhalten eines Flugzeugs ist schwer vorherzusagen. So reagieren Heavy-Flugzeuge in der Regel träger als Light-Flugzeuge.
Mit dem Radius to Fix Leg kann man dieses Problem lösen: Eine Kurve definiert sich hier als Kreisbogen zwischen zwei Wegpunkten. Zusätzlich sind der Kurvenmittelpunkt, Kurvenradius und die Drehrichtung definiert und in einer Navigationsdatenbank gespeichert. Dadurch sind präzisere Kurvernflüge möglich.
Solche RF-Legs werden immer mehr implementiert und sind in Karten gekennzeichnet. Ein Beispiel ist hier die MARUNx-Whiskey-SID in Frankfurt, welche zwei RF-Legs beinhaltet. Dadurch wird größere Spurtreue und somit weniger Lärmbelastung erreicht.
Was das RF-Leg im An- und Abflugbereich ist, ist die Fixed Radius Transition für den Reiseflug. Anstatt aber zwei Wegpunkte als Kurvenanfang- und ende zu definieren, wird hier nur ein einzelner Wegpunkt als Fly-By-Drehpunkt sowie der Kurvenradius definiert.
Dadurch, dass die Soll-Kurve also von Anfang an bekannt ist, kann die FRT deutlich präziser abgeflogen werden als eine “normale” Kurve, gekennzeichnet durch einen Fly-By-Wegpunkt. Dadurch können letztlich verschiedene Routen näher aneinander liegen, da die mögliche Abweichung vom Sollkurs nun auch in einer Kurve geringer ist.