Die Luft, die uns umgibt
Dieses Thema füllt ganze Bücher, und hätte ein eigenes Kompendium verdient. Allerdings ist das Verständnis der grundlegenden Vorgänge beim Flug für den Piloten überlebenswichtig. Dabei gelten die folgenden Zusammenhänge für alle Typen von Flugzeugen, sei es eine Cessna 172 oder ein Airbus A380. Im Flugtraining wird auch in dieser Reihenfolge trainiert, jeder Linienpilot wird in seinem Leben mal ein einmotoriges Propellerflugzeuge geflogen haben, um die "bare basics" der Fliegerei zu erfahren und zu begreifen. Bei IVAO gehen wir deshalb den gleichen Weg und prüfen erst die fliegerische Kenntnis auf kleinen Mustern bevor wir auf die höheren Ebenen der Fliegerei gehen.
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Für den motorisierten Flug sind vier Kräfte elementar. Sie wirken, sobald das Flugzeug sich durch die Luft bewegt. Die folgenden Abschnitte beschreiben die einzelnen Einflüsse auf die Kräfte und wie sie wirken.
Das ist die Kraft, die das Fliegen möglich macht – deshalb steht sie hier auch an allererster Stelle. Um Auftrieb zu erzeugen, ist es nötig, dass der Flügel mit Luft umströmt wird. Das Wort Flügel ist hier ein wenig zu eng gefasst, denn ein Propeller funktioniert nach genau dem gleichen Prinzip, nur dass sich hier der „Flügel“ bewegt. Die wichtigste Eigenschaft des Flügels ist sein Profil, also die flache Unterseite und die gewölbte Oberfläche. Um nun Auftrieb zu erzeugen, nutzt der Flügeleinen den Magnus-Effekt: Dieser Effekt tritt zum Beispiel auf, wenn ein sich drehender Zylinder in einen Luftstrom gehalten wird. Durch die Reibung der Luft an der Zylinderoberfläche bewegt sich die Strömung auf der Oberseite, also dort, wo der Zylinder in Richtung der Strömung dreht, schneller als auf der gegenüberliegenden Seite. Dieses Phänomen bezeichnet man als „lokale“ Geschwindigkeiten, weil diese Geschwindigkeiten von der Geschwindigkeit abweichen, mit welcher die Luft den Zylinder anströmt.
Diese Geschwindigkeitsdifferenz allein allerdings erklärt noch nicht den Auftrieb eines Flügels. Dazu braucht es den Urvater aller Aerodynamiker: Daniel Bernoulli. Dieser schweizer Mathematiker hat schon früh die Zusammenhänge von Druck und Geschwindigkeiten in fließenden Medien beschrieben. Das von ihm aufgestellte Gesetz besagt in der Kurzform: je schneller ein Medium fließt, desto geringer ist sein Druck.
Daraus folgt: Auf der Oberseite des rotierenden Zylinders ist die Geschwindigkeit höher, und der Druck geringer als auf der Unterseite. Diese Erkenntnis erklärt nun also den Auftrieb. Der höhere Druck drückt den Zylinder nach oben. Da nun aber Zylinder ein ungünstiges Verhältnis von Auftrieb und Widerstand haben, plattet man sie für den Gebrauch im Flugzeug unten ab, und verringert die Wölbung auf der Unterseite: ein moderner Flügel. Damit sind auch schon zwei Einflussgrößen auf die Auftriebkraft genannt: die Form des Flügels und die Geschwindigkeit. Lange, schmale Flügel verhalten sich anders als kurze Flügel mit einem stärker ausgeprägten Profil. Und: je höher die Geschwindigkeit, desto ausgeprägter die Druckdifferenz und desto größer die Auftriebskraft. Tatsächlich geht die Geschwindigkeit sogar quadratisch in den Auftrieb ein, eine doppelte Geschwindigkeit produziert also einen viermal höheren Auftrieb.
Allerdings gibt es noch einen wichtigen Einfluss, der bisher noch nicht erwähnt worden ist: der Anströmwinkel, besser bekannt als "angle of attack". Diesen Winkel findet man zwischen der Profilsehne eines Flügels, also der Verbindungslinie zwischen dem vordersten und dem hintersten Punkt eines Profils, und der Richtung der Anströmung. Achtung: Der Anströmwinkel ist nicht notwendigerweise der Anstellwinkel, den wir Piloten auf dem künstlichen Horizont ablesen! Gerade im Steigflug, wenn der Motor das Flugzeug mit aller Kraft nach oben drückt, ist der Anströmwinkel fast immer kleiner als der Anstellwinkel.
Der Anstellwinkel hat einen direkten Einfluss auf die Auftriebskraft: verdoppelt man den Anströmwinkel, dann verdoppelt sich auch die Auftriebskraft. Allerdings gilt dieses Gesetz leider nur bis zu einem bestimmten Grenzwert, den so genannten kritischen Anströmwinkel. Über diesem Winkel kann die Luft nicht mehr vollständig um den Flügel strömen und reißt ab: der Strömungsabriss oder Stall. Dieser Effekt lässt sich sehr schön im Flugzeug nachvollziehen: verringert man die Triebwerksleistung, bremst das Flugzeug. Um nun die Höhe zu halten, muss der Pilot den Steuerknüppel ziehen. Damit erhöht er den Anstellwinkel und kompensiert damit den Auftriebsverlust aufgrund der niedrigeren Geschwindigkeit. Das geht solange gut, bis der kritische Anstellwinkel erreicht ist, und der Auftrieb schlagartig abfällt.
Jeder Pilot muss ein Gefühl für Geschwindigkeit und Anstellwinkel haben, sonst gerät er irgendwann in eine kritische Flugphase. In der Pilotenausbildung nennt man diesen Teil der Schulung "pitch and power", also etwa "Anstellwinkel und Schubkraft". Auch im Simulator kann man diese Zusammenhänge ausprobieren, und es schadet sicher nicht, mit dem Verhalten von seinem Flugzeug bei verschiedenen Anstellwinkeln und Schubwerten vertraut zu sein.
Diese Kraft wirkt auf den ersten Blick fast trivial, beschreibt sie zunächst erstmal das, was auch wir erdgebundenen Wesen täglich empfinden: die Kraft, die unser Planet auf uns ausübt. Und auch für Flugzeuge ist die Gravitation eine beherrschende Kraft, denn der ganze Aufwand mit dem Auftrieb wäre nicht nötig, wenn nicht die Erdanziehung uns auf den Boden der Tatsachen zurückholen würde.
Aber es gibt dennoch einige Effekte, die im Bezug auf die Gewichtskraft erwähnenswert sind. Zum einen wäre da der für Piloten recht einfach durchschaubare Zusammenhang zwischen Gewicht und Steigleistung. Je schwerer ein Luftfahrzeug, desto langsamer wird es (bei gleicher Motorleistung) steigen. Zum Beispiel kommen zweimotorige Flugzeuge meistens deutlich besser aus dem Quark als ihre viermotorigen Pendants, weil sie für den Notfall eine höhere Leistungsbalance haben müssen.
Auf der anderen Seite steht ein Effekt, der vor allem in der Langstreckenfliegerei eine wichtige Rolle spielt: während des Reiseflugs wird nämlich ein Motorflugzeug kontinuierlich leichter – durch die abnehmende Treibstoffmenge. Auf der Langstrecke fliegt man zum Beispiel mit 80 Tonnen Sprit ab, und landet mit 10 Tonnen, das Flugzeug ist also stattliche 70 Tonnen leichter geworden. Das führt dann dazu, dass ein Langstreckenflug am Anfang niedrig bleibt, und mit der Zeit immer höher steigt, eben weil er leichter wird und es deshalb wirtschaftlicher für ihn wird, in höhere Höhen zu steigen, wo der Widerstand und der Treibstoffverbrauch geringer sind.
Diese Kraft ist schnell erklärt. Um gegen den Luftwiderstand und die Gravitation zu wirken, muss eine Kraft existieren, die in Richtung des Flugweges wirkt. Ob vom Propeller oder von einem Strahltriebwerk ausgeübt, hält der Schub den Flug aufrecht: ohne ihn keine Geschwindigkeit, dadurch keinen Auftrieb und kein Flug.
Diese Kraft ist nach dem Auftrieb vermutlich die Komplizierteste. Auf den ersten Blick erscheint es noch relativ einfach: Jedes Objekt, das sich durch eine Luftströmung bewegt, erfährt eine Kraft entgegen der Bewegungsrichtung. Dieser Effekt kommt durch Reibung an der Oberfläche zustande. Im fliegerischen Umfeld allerdings ist der Widerstand eine Kombination verschiedener Faktoren.
Zum ersten ist da der schädliche Widerstand, der ständig am Flugzeug wirkt und nicht mit der Auftriebserzeugung zusammenhängt. Dieser Anteil lässt sich weiter aufteilen in Formwiderstand, Interferenzwiderstand und Reibungswiderstand.
Der Formwiderstand kommt von der Umströmung des Flugzeugkörpers, einfach durch die Tatsache dass der Luftstrom vorne vom Flugzeug in mehrere Teile getrennt werden muss und hinter ihm wieder zusammenfließt. Der Interferenzwiderstand kommt immer dort zustande, wo mehrere Luftströme zusammentreffen und ist am größten, je steiler die Ströme aufeinander treffen. Das ist besonders der Fall beim Übergang zum Beispiel zwischen Flügel und Rumpf, weswegen dieser Teil mit möglichst runden Übergängen gestaltet wird.
Der Reibungswiderstand beschreibt die Kraft, die aufgrund von rauen Oberflächen auftritt, an der sich die Luft verwirbelt und dabei Geschwindigkeit verliert. Rau kann dabei bedeuten, dass eine Oberfläche nicht perfekt glatt ist, oder dass zum Beispiel Nieten oder Kanten den Luftrom umlenken.
Die zweite große Komponente des Widerstands ist der induzierte Widerstand. Dieser Widerstand ist Abfallprodukt des Auftriebs, kommt also immer dann zustande, wenn der Flügel eine Kraft nach oben produziert. Wie im Abschnitt über den Auftrieb beschrieben, erzeugt ein Flügel Auftrieb durch einen Druckunterschied zwischen Flügelober und -unterseite. Die Luft versucht, diese Druckdifferenz auszugleichen und drückt dabei den Flügel nach oben. An der Flügelspitze jedoch kann die Luft den Druck einfacher ausgleichen, indem sie von unten nach oben überströmt. Dadurch erzeugt die Flügelspitze einen sich kreisförmig drehenden Luftwirbel – die Wirbelschleppe. Dieser Wirbel erzeugt zunächst eine aufwärtsgewandte Luftbewegung, und in der Drehung dann eine abwärtsgewandte Bewegung. Dadurch, dass sich der Flügel unter der Drehung wegbewegt, wirkt diese abwärtsgewandte Strömung auf die hintere Flügelkante und erzeugt dabei eine Kraft entgegen der Flugrichtung. Diesen Effekt nennt man induzierten Widerstand. Mit winglets oder wingtip fences lässt sich dieser Effekt mindern, komplett verschwinden wird er jedoch nicht.